von Sonja Mannhardt | Apr. 10, 2015 | Allgemein, Blog
Was genau verbirgt sich hinter „ich vertrage nicht“ Thematik, die keine ist?
So wie Essen sehr individuell ist und nur verstehbar auf dem geschichtlichen Hintergrund des einzelnen Menschen, so sind die Gründe für ein inszeniertes „ich vertrage nicht“, ohne dass dieses in irgend einer Weise verifiziert worden wäre, sehr verschieden.
Hier einige Hypothesen:
1. Der Mensch hat es Leid ein Massenmensch zu sein.
„Ich möchte als einzigartiger Mensch gesehen werden.“
Du sollst, du musst, du darfst nicht. Unsere Welt ist voll von solchem Regelwerk, was dem Individuum enge Grenzen setzt. Egal ob Autos, Wohnen, Smartphones, Konsumgüter, wo in Urlaub, welcher Arbeitgeber, was muss getan werden um Gesundheit und ein langes Leben zu erlangen…Wo man hinschaut dieses Du sollst…das Menschen mehr oder weniger als Fremdbestimmung ausmachen.
Selbst die Mode ist heute nicht mehr Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, sondern mehr und mehr ein Diktat. „Man muss mithalten, mitmachen“, um dazu zu gehören. Also wo können sich Menschen noch frei entfalten, freie Entscheidungen treffen, wie ein Kleinkind seine erwachende Identität kundtun (Anna mag nicht, Anna will nicht, Anna isst nicht…) als beim Essen? Der eigene Teller ist und bleibt eines der letzten Refugien der Selbstbestimmung kombiniert mit einer besonderen individuellen Note.
2. Menschen wollen echte Aufmerksamkeit
„Nimm mich wahr. Nimm mich ernst. Beachte mich und meine Wünsche“
Meine Wahrnehmung ist, dass hinter einer Fassade besonderer Höflichkeit und Angepasstheit, sich eine Angst verbirgt, seine Wünsche wahrzunehmen, zu äußern, auch mal anzuecken oder gar einen Konflikt zu riskieren. Diese Angst hat in der Leistungsgesellschaft m.E. deutlich zugenommen. Menschen fühlen sich verunsichert, trauen sich nicht „zu zeigen“ wie sie sind. Emotionen und Stimmungen sind „unprofessionell“, echte Aufmerksamkeit häufig nur dann gegeben, wenn etwas NICHT funktioniert…
Was liegt da näher, als über eine „Erkrankung“ Rücksicht und Aufmerksamkeit einzufordern und gleichzeitig ein Terrain zu haben, wo man selbst die Kontrolle behält?
3. „Empfindlich sein“ ist unprofessionell – es sei denn, man ist krank
Jetzt bleiben Sie doch mal sachlich. Jetzt seien Sie doch nicht so empfindlich. Der Meier ist ein Weichei…..Hart und leistungsfähig ist er, der moderne Mensch, aber keineswegs emotional, sensibel oder empfindsam. Doch wie immer in der Welt. Der Mensch sucht sich Nieschen, wenn er in seinem Sein zu sehr eingeschränkt wird. Und da seit einigen Jahren, die Aktivitäten der Gedärme kein Tabuthema mehr ist und auch die Befindlichkeit dank social media nicht mehr Privatsache ist, sondern öffentliche Akzeptanz gefunden hat, liegt es nahe, zumindest dort die „sensible“ Seinsart auszuleben.
Oder anders ausgedrückt. Da viele Menschen verlernt haben, sich selbst zu spüren, selbst wahrzunehmen, ist es bereits als Fortschritt anzusehen, dass man zumindest jedes Bauchgrummeln, jeden Darmwind auf die Befindlichkeitswaage legt, sozusagen als Brückenschlag zu den sonst so tief vergrabenen Gefühlen und empfindsameren Seiten.
4. Das Angebot bestimmt die Nachfrage
Während wir in der Klinik vor 20 Jahren noch selbst unsere Laktose freien Milchen angerührt haben, boomt heute der Produktmarkt regelrecht und auch eine verbesserte Diagnostik trägt dazu bei, dass Menschen glauben, es gäbe heute mehr Betroffene, als vor 20 Jahren. Doch die Zahlen sind konstant. Eine Befragung zeigt auch, dass nicht nur Menschen mit Laktoseintoleranz diese Produkte kaufen, sondern weitaus mehr. Dasselbe gilt für glutenfreie Ware. In den Staaten gaben auf eine Befragung der NPD-Group 28% an, kaum oder nie Gluten zu essen, obwohl sie gar keine Zöliakie hatten. Doch wie kommt es, dass gesunde Menschen freiwillig diätetische Produkte verzehren, die ihnen nachweislich keinerlei Mehrnutzen bringen, dafür aber bis zum doppelten Preis kosten?
Gesundheit ist seit einer Kampagne der WHO zur Bürgerpflicht geworden und die Szene gaukelt uns vor, dass Gesundheit herstellbar sei, wenn man nur das „Richtige“ täte und das „Falsche“ unterlässt.Was also Kranken hilft, kann ja Gesunden nicht schaden oder könnte ja dazu beitragen, noch gesünder, noch leistungsfähiger zu werden, so denken sich viele moderne Menschen heutzutage, wo doch alles machbar und herstellbar scheint (Yes we can). Die verwirrenden und teilweise aggressiven und suggestiven Werbebotschaften der Produzenten sprechen dabei nicht nur Betroffene an, sondern auch diejenigen, die ihre Gesundheit, wie ein Projekt „optimieren“ wollen. Wie früher die Werbebotschaft „fettfrei“ wird heute „glutenfrei“, „laktosefrei“ , „Fructosefrei“, als Qualitätssigel missverstanden, nicht zuletzt auch deswegen, weil diese diätetischen Produkte nahe der Bioprodukte stehen. All das ist jedoch Teil von ausgeklügelten Marketingstrategien, um den Verkauf auch dort anzukurblen, wo überhaupt kein Bedarf besteht.
5. Neue Feinde braucht der Mensch?
Nicht was drin ist ist, wichtig, sondern was nicht drin ist
Während über viele Jahrzehnte wichtig war, was in Produkten DRIN ist, hat sich die Sicht auf Lebensmittel vollkommen verkehrt. Heute wird darauf geachtet, was NICHT drin ist. Nicht über das IST entsteht Sicherheit (viel Vitamine, viel Mineralstoffe), sondern mehr und mehr über das FEHLEN VON – eine Sicht, die bereits vor 20 Jahren seine Ursprünge in den USA hatte (no cholesterol, no suger, low fat), so als gelte es permanent Feinde im Essen ausfindig machen und eliminieren zu müssen.
Haben wir etwa zu wenig Schwierigkeiten, zu wenig Feinde, zu wenig Herausforderungen und Abenteuer, dass wir uns permanent neue suchen müssen – auch beim Essen? Könnte es sein, dass gerade in unserer sich sehr schnell verändernden, globalisierten Welt die Verunsicherung wächst, das Misstrauen zunimmt? Wir begeben uns auf philosophisches Territorium…
6. Gesundheitsberater und Ernährungskommunikatoren
Seit Krankenkassen nicht mehr Krankenkassen, sondern Gesundheitskassen heißen; seit die WHO nicht nur die Krankheiten vermeiden will, sondern Gesundheit herstellen, seit nicht mehr die Genesung und Gesundung, sondern Gesundheitsförderung ins Zentrum gerückt wird, sind sie da: Nicht die Krankenschwestern, die Ärzte, die Berater und Therapeuten, sondern die Gesundheitsberater, Ernährungscoachs. Sie predigen Gesundheit und ihre Rechnung geht auf. Die Gläubigen folgen in der Hoffnung auf noch mehr, noch bessere, noch langandauernde Gesundheit, denn Gesundheit ist Pflicht und Ausdruck von Vitalität und Leistungskraft. Wer krank wird, ist selbst schuld oder hat sich nicht genug „angestrengt“. So glaubt der moderne Mensch heute und der Mensch der Antike reibt sich verwundert die Augen…
Längst treten Lebensmittelkonzerne, der Lebensmittelhandel als neue Gesundheitsberater auf. Dort informiert „man“ sich darüber, was „gesund“ und „ungesund“ ist. Längst hat die „Ernährungskommunikation“ (Informationen über Ernährung), die Privatheit von Essen und die medizinische Betrachtung von Ernährung als Heilmittel abgelöst. ,“Gesundheit“ ist zum Geschäft geworden; Krankheit kein Thema mehr – zumindest solange man nicht selbst betroffen ist. Und da das, was man besonders häufig und besonders „laut“ hört in unserer Erinnerung bleibt, verwundert es nicht, dass die Werbebotschaften funktionieren. „Ich helfe dir, ich sorge für dich“, weil uns deine Gesundheit wichtig ist…
Und dann sind da noch die „Celebritys“. Sie twittern von ihren Diäten. Heute ist Gluten Mist, morgen wirkt eine Laktosefreie Ernährung Wunder und übermorgen ist vegane Ernährung überhaupt der Jungbrunnen schlechthin. Seriöse Berater und Ärzte müssten zigtausende Euro für Werbekampagnen ausgeben und dennoch ist ein einziger Satz eines „Stars“ wirkungsvoller, als sämtliche Werbemaßnahmen dieser Welt – mit ein Grund, weshalb Lebensmittelkonzerne und der Handel immer mehr auf diese Werbeträger setzen.
Ärzte machen keine Werbung, professionelle Berater werben nicht im Fernsehen oder werden als Werbung in social media eingeblendet. Das heißt, der Anbietermarkt wird künstlich verzerrt mit all seinen Nebenwirkungen. Sie sind den Menschen noch nicht einmal bewusst.
7. Die Macht des Placebo
Glauben versetzt Berge und wer glaubt sich mit Spezialdiät etwas Gutes zu tun, dem tut das gut tun auch gut. Könnte es sein, dass darin insbesondere das Heilmittel liegt? Sich Gutes tun, gut auf sich achten, liebevoll mit sich umgehen, weil dies die Grundvoraussetzung dafür ist, dass wir aufmerksam mit anderen, liebevoll mit anderen umgehen?
Nur – ist es zu rechtfertigen, dass dieses gut für sich sorgen ganz natürliche Substanzen, wie Milchzucker, Fruchtzucker, Histamin und Gluten zu Feinden erklären muss? Das ist eben die Frage, denn wer sich zu sehr diesen Diäten unterwirft, ohne dass sie notwendig sind, gibt wieder ein Stück Selbstbestimmung auf und „ordnet sich unter“ – etwas, was doch eigentlich vermieden werden sollte. Und wenn es um Einzigartigkeit geht? Wenn heute fast jeder zu diesen Produkten greift, ist man längst nicht mehr etwas besonderes, sondern wieder einer von Vielen….einer mit Laktoseunverträglichkeit oder einer anderen „ich vertrage nicht“ Thematik.
Sollten Sie eher den Wunsch nach
> Genuss
> Balance
> wenig Einschränkung
> Selbstbestimmung und
> individuellem Ess- und Ernährungsweg
beim Essen suchen,
so sind meine professionellen KollegInnen und ich gerne für Sie und Ihre Liebsten da.
von Sonja Mannhardt | Apr. 2, 2015 | Allgemein, Blog
Natürlich gibt es sie und dafür sind wir Ernährungstherapeuten ja auch da. Menschen mit Laktose-, Fruchtzucker, Sorbitunverträglichkeit, oder mit einer Glutenunverträglichkeit. Wir unterstützen Menschen mit Unverträglichkeiten bei der Analyse Ihrer Beschwerden, bei der Diagnostik, empfehlen Ihnen Ärzte und Labors, wo seriöse Tests durchgeführt werden und begleiten Betroffene dabei, einen sehr individuellen, genüsslichen Ess- und Ernährungsweg zu finden, trotz oder gerade wegen der bestehenden Diagnose.
Keine Nahrungsmittelunverträglichkeit macht mit dem Speiseplan und der Auswahl kurzen Prozess und kein Betroffener reagiert auf alle Lebensmittel unverträglich. Jegliche Versuche zu pauschalisieren oder zu übertreiben sind daher selbst bei Betroffenen sinnlos, denn im Gegensatz zu echten Nahrungsmittelallergien und einer echten Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) ist insbesondere Laktosemalabsorption vergleichsweise harmlos und auch eine Furchtzuckerunverträglichkeit niemals mit einer Nullmenge zu beantworten, und nicht wirklich als „Krankheit“ zu bezeichnen. Asiaten haben von Natur Beschwerden auf den Konsum von Milch, aber keiner von Ihnen würde sich als krank bezeichnen….Anders bei uns: Mittlerweile scheinen mehr Menschen an Lebensmittelunverträglichkeiten Gefallen zu finden, als tatsächlich betroffen sind. Wie ist dieses Phänomen zu verstehen?
Früher war man glücklich nicht krank zu sein, heute ist es schick etwas zu haben?
Ich spreche mit der Leiterin einer BGM Abteilung einer großen Firma. Sie findet es mittlerweile unterträglich, wie die Mitarbeiter an allem und jedem Essen herummäkeln und lauthals herausbrüllen, was sie alles nicht vertragen. Sie selbst leidet an einer schweren Lebensmittelallergie und an Asthma und kann es nicht verstehen, wie sich viele Leute wegen der Lakose anstellen, obwohl nachweislich die meisten dieser Leute noch nicht einmal beim Arzt waren und einen Test durchführen ließen. Ich solle dazu mal einen Vortrag halten.
Als ich mit über Mittag kurz mit einer Freundin auf einen kleinen Espresso treffe, höre ich am Nebentisch ein Gespräch. „Ist da auch garantiert keine Laktose in der Milch, die sie benutzen. Und haben sie noch etwas anderes, als Käsebrot. Ich vertrage keinen Weizen und in Käse ist auch Laktose. Haben Sie keinen vegetarischen Brotaufstrich?“ Die Frau erfreut sich sichtlich der Aufmerksamkeit, die ihr sowohl der Kellner, als auch die anderen Gäste schenken.
Ich denke über mehrere Dinge nach: Hätte sie wirklich eine schwere Laktosemalabsorption, dann wüsste sie, dass in Hartkäse gar kein Milchzucker drin ist und sie würde sich eher still verhalten, um mit ihren Extrawünschen nicht aufzufallen.
Meine Freundin ist ebenfalls bass erstaunt und berichtet von ihrem Geburtstag, an dem ich zwar auch war, aber nicht bemerkte, was sich kulinarisch abspielte. Sie sagte, sie erhielt 5 Anrufe, bei dem sich Gäste zwar für die Einladung bedankten, doch sofort ihre Sonderbestellungen aufgaben. „Kein Rotwein und keinen gekochten Schicken – du weißt ja – mein Histamin; ich hoffe, es gibt keinen Käse ich bin Laktose intolerant; machst Du auch etwas veganes? ; Abends esse ich keine Kohlenhydrate und die letzte Freundin fragte, ob Sie ihr glutenfreies Essen mitbringen muss, oder ob es auch etwas für Sie gäbe.“ Meine Freundin hatte schon im Vorfeld keinerlei Lust mehr auf ihren Geburtstag. Ihr standen förmlich die Schweißperlen und die Zornesröte im Gesicht, als sie davon berichtet.
Und was erzählt mir in der Supervision eine Kindergartenleiterin? Die Anzahl an kleinen Kindern mit „Unverträglichkeiten“ sei massiv angestiegen. Die ganzen Extrawürste (mein Kind isst nur vegan, mein Kind verträgt keinen Milchzucker, mein Kind darf keinen Fruchtzucker essen, mein Kind reagiert stark auf Weizen – sie bekommt nur Dinkel. Mein Kind hat Neurodermitis und soll keinen Zucker, mein Kind ist hyperaktiv und soll Phosphatarm….) machen einen Mittagstisch mittlerweile fast unmöglich. Als unlängst beschlossen wurde, dass nur noch Diäten berücksichtigt werden, die ärztlich diagnostiziert und attestiert wurden, gab es einen Aufschrei, man würde eine Gesundheitsgefährdung der Kinder billigend in Kauf nehmen. Man beschwerte sich beim Träger und drohte damit, die Kinder aus den Kindergarten zu nehmen. Sie schildert, wie bereits kleine Kinder den Status des „Besonderen“ lieben und damit kokettieren. „Ich darf nichts mit Laktitose essen und Du?“
Nicht nur, dass gefährliches Halb- und Laienwissen hinter obigen restriktiven Diäten steckt, es scheint so, als ob es mittlerweile en vogue ist, selbst Arzt zu spielen und darauf zu bestehen, dass die eigene Diagnostik schon die richtige sei.
Ich kenne hunderte von Kindern mit Allergien und schweren Unverträglichkeiten bis hin zur angeborenen Fruchtzuckerintoleranz, die bereits im ersten Lebensjahr gefunden wird….Diese Kinder haben nur einen Wunsch:“ Ich will so sein, wie die anderen. Ich will nicht auffallen. Ich will „normal“ sein und „normal“ essen.“ Doch bei obigen Beschreibungen scheinen das Gegenteil zu zeigen. Auffallend anders sein – auch beim Essen ist Trend.
Eine Mutter meldet ihre 17-jährige Tochter an. Sie habe immerzu Bauchweh und würde gefährlich abnehmen. Sie habe bestimmt eine Milchzuckerunverträglichkeit, da Durchfall auch nicht auszuschließen ist, so die Mutter. Sie habe vorsorglich schon jegliche Spuren von Milchzucker weggelassen, kaufe nur noch Laktosefreie Produkte, doch die Beschwerden der Tochter seien noch nicht verschwunden. Jetzt möchte sie mit meiner Hilfe nach noch versteckten Laktosespuren suchen. Was nach einer Stunde Beratung offensichtlich ist. Dieses Mädchen leidet nicht an Laktoseunverträglichkeit, sondern an einer sich verschärfenden Anorexie. Diese Gefahr hat die Mutter nicht erkannt.
Und eine weitere Patientin der vergangenen Wochen war sichtlich erbost, als ich ihr nach einem einstündigen genauen Assessment und der Analyse ihres Symptomtagebuchs eindeutig nachweisen konnte, dass ihre Beschwerden absolut nichts, aber auch rein gar nichts mit der von ihr vermuteten Laktoseunverträglichkeit zu tun haben können. Milchzucker verursacht Durchfall, keineswegs Verstopfung! Man gibt Milchzucker sogar Säuglingen, damit diese besser stuhlen können. Auch macht Milchzucker keine Müdigkeit und auch keine Kopfschmerzen. Doch sie wollte keine Beratung. Sie wollte in der Beratung lediglich eine Bestätigung ihrer eigenen Diagnose und eine „Liste“ auf der draufsteht, was sie bei Laktoseunverträglichkeit nicht „essen darf“.
Während man sich früher begrüßte mit „Bisch g´sund?“ Oder „Alles bestens?“ und verabschiedete mit „Bleib gesund“ und sich jeder freute, wenn es dem anderen und einem selbst gut ging, so überkommt zumindest mich, da ich tagtäglich mit Menschen zu tun haben, die tatsächlich schlimme Krankheiten haben, ein mulmiges Gefühl.
Und damit bin ich nicht alleine. Auch die mit mir kooperierenden Ärzte klagen und witzeln. Sie sprechen bereits von einem „Morbus Google“. Anstatt bei Beschwerden zum Arzt zu gehen und ihm und seiner Fachkompetenz zu vertrauen, kommt der moderne Patient nicht selten mit einer fixfertigen Google-Diagnose zum Arzt und will diese nur noch bestätigt wissen.
In ein paar Tagen geht es weiter mit Teil 2
von Sonja Mannhardt | März 11, 2015 | Allgemein, Blog
Es ist kein Geheimnis, dass die Anzahl übergewichtiger Kinder innerhalb einer einzigen Generation drastisch zugenommen hat. Es genügt ein Blick auf die Pausenhöfe und Schwimmbäder. Innerhalb einer einzigen Generation – das bedeutet, dass es nicht an einer genetischen Veranlagung alleine liegen kann, sondern stark mit den Lebensumständen der Menschen zusammenhängen muss.
Doch genauso hilflos vor etwa 20 Jahren auf dieses Thema geschaut wurde, genauso hilflos scheint die Wissenschaft und Praxis auch noch heute zu sein. Betroffene Kinder bekommen effektive Hilfe und Unterstützung oft erst nach einem langen Leidensweg….
Die Zahlen…
Wir sehen, dass sowohl die absolute Zahl innerhalb kurzer Zeit ansteigt, wir sehen aber auch, dass es mit zunehmendem Alter der Kinder mehr werden. Auch konnte gezeigt werden, dass das Auftreten von Adipositas im Kindesalter immer früher beginnt und die Ausprägung stärker wird.
Während viele Ärzte noch vor ca. 20 Jahren glaubten „Das wächst sich aus“, wissen wir heute, dass dem nicht so ist. Doch woran liegt das?

Es wächst sich nicht aus….
Patrick ist 10 Jahre alt und stark übergewichtig und es dauerte mehr als ein Jahr, bis er endlich zu mir in die Beratungspraxis geschickt wurde. Was in diesem Jahr passierte?
Zunächst war Patrick nur beim Kinderarzt, der das Thema zwar ansprach, auch aufklärte und informierte, doch dieses reden half nichts. Es wurde schlimmer. Dann suchte die Familie Hilfe bei einer Beraterin, die spezielle Shakes verkaufte und auch Gemüsepillen. Als das nichts half, setzte man auf die Unterstützung durch einen Heilpraktiker. Als auch das fehlschlug wurde Patrick zur Beratung der eigenen Krankenkasse geschickt – professionelle Ernährungstherapie war der Familie „zu teuer“ (die Familie fuhr aber zwei Autos, Patrick hatte ein neues Handy und einen eigenen Fernseher und die Familie fuhr 1-2 mal pro Jahr in Urlaub). Dort bekam die Familie sehr viele Informationen über „gesunde Ernährung“, doch das war nicht das Problem von Patrick. Danach empfahl man ihm eine Rehamaßnahme. Der Erfolg war jedoch nach 3-4 Monaten gleich Null. Als man Patrick dann wegen „Hänseleien“ zum Kinderpsychologen schickte, hat diese reagiert und die Familie zu mir geschickt, um zunächst einmal genau zu schauen, was eigentlich die Gründe und Hintergründe von Patricks Übergewicht sind. Es gab keinen Grund für die Psychologin, dieses Kind psychisch zu „therapieren“, weil Patrick nicht psychisch KRANK ist, sondern dieses Problem zunächst einmal pädagogisch-edukativ und ernährungstherapeutisch betreut werden sollte. Doch das passierte erst, nachdem Patrick bereits schulisch litt und sein Selbstwert Schaden genommen hat.
Wie Patrick geht es vielen betroffenen Kindern, weil am falschen Ende „gespart“ wird. Natürlich ist qualifizierte Ernährungstherapie keine Kassenpflichtleistung, doch bekommt Jeder, der diese in Anspruch nimmt, einen Großteil der Kosten von seiner Krankenkasse rückerstattet. Eine Beratung kostet nicht mehr, als eine Autotankfüllung; nicht mehr als wenn ein Meister kommt und eine Waschmaschine repariert oder wenn man sich die Haare färben lässt, oder eine neue Hose oder ein paar Schuhe kauft. Ist das tatsächlich „zu teuer“?
Ist es nicht vielmehr so, dass ein zu langes Warten viel teurer ist? Kinder, die übergewichtig sind leiden….aber sie leiden meistens „still“ und die Folgen sind nicht vordergründig körperlich oder gesundheitlich zu sehen, sondern ganzheitlich. Diese sehr sensiblen und emotionalen Kinder „fressen“ erst recht alles, was sie belastet in sich hinein, denn….Kinderübergewicht ist sehr vielschichtig und nur ganz oberflächlich mit „Vernuft“ zu „bekämpfen“…

Die Wissenschaft sagt….
Die Wissenschaft macht immer wieder „neue“ Übeltäter ausfindig und findet immer neue „Schuldige“ (Das „falsche“ Essen ist schuld, die Lebensmittelindustrie ist schuld, die mangelnde Bewegung ist schuld).Eine jüngst veröffentlichte Lancet-Studie sieht die Ursachen in mangelnder Bewegung und den Produkten der Lebensmittelindustrie. Doch wer mit Kindern und betroffenen Familien arbeitet weiß: So einfach ist es mitnichten! Genauso wie es Kinder mit Adipositas gibt, die sich viel bewegen und nicht nur Umfug essen, so gibt es auch übergewichtige Kinder, die nicht das „Falsche“ essen und dennoch zu viel auf die Waage bringen.
Bereits vor 11 Jahren wurde die Komplexizität des Geschehens in einer Grafik festgehalten, aus der ersichtlich ist, dass sowohl individuelle Faktoren, als auch sogenannte Umfeldfaktoren einen Einfluss haben. Aufgrund der vielen Faktoren, die außerhalb der Verantwortung des Individuums liegen, kamen zahlreiche Experten sogar zu dem Schluss, dass Maßnahmen für Betroffene gar nichts nütze, sondern nur noch Prävention betrieben werden müsse, um zu verhindern, dass weitere Kinder übergewichtig werden. Wären Präventionsprogramme allerdings effektiv, so würde sich wohl die Problematik langsam abschwächen, was allerdings nicht der Fall ist. Auch hat es sich langsam eingeschlichen, Betroffene in der Masse zu beraten oder zu „therapieren“. Sie haben „Schulungen“ oder „Gruppentherapie“ in Rehazentren und Ambulanzen. Doch wie soll das gehen, wenn die Probleme hinter dem Gewicht sehr individuell sind und mitnichten durch allgemeine Ratschläge beseitigt werden können? Was ist, wenn unter der Oberfläche sich offenbart, dass diesem Thema keineswegs rational zu Leibe gerückt werden kann, sondern der Mensch als soziales, emotionales, Ziel orientiertes Wesen hier zum Ausdruck bringt, wie er sich in Balance halten kann?
Die Vermutung liegt folglich nahe, dass Maßnahmen mit der Gießkanne nicht der Weisheit letzter Schluss sein können, denn die Rückfallquoten oder schlechten Ergebnisse sprechen Bände. Verschlingt nicht genau diese Politik unnötig Unsummen an Geld? Macht nicht genau dieses Gieskannenprinzip und der Geiz an der falschen Stelle Übergewichtsbehandlung so immens teuer? Und was kostet es, einer Kinderseele/Jugendlichenseele immer und immer einzureden, dass dieser Mensch „einfach zu dumm ist zu kapieren“ oder „zu faul“? Die „Schuld“ auf die Betroffenen abzuwälzen verschiebt die Problematik nur in die Zukunft, doch das sollte man tunlichst nicht allzu laut sagen, denn es lebt eine ganze Adipositasindustrie davon, Menschen einzureden, dass es nur die richtige Technik und genügend Wissen benötige, dass „funktioniert“ der betroffene Mensch schon…
Kinderübergewicht behandeln – ganz leicht?
Ganze Heerscharen an Beratern glauben offenbar, dass es kinderleicht ist, genau diese Klientel „beraten“ zu können, weil die Probleme (falsches Essen, wenig Bewegung) doch auf der Hand liegen. Auch in Schulen scheint wohl jetzt eine gewisse Selbstüberschätzung zu herrschen, denn man glaubt ernsthaft daran, „Kinder schlank machen“ zu können, dadurch, dass man in der Schule gewisse „Programme“ anbietet, die von Lehrern durchgeführt werden, wie ich unlängst auf einem Kongress erfahren durfte. Schließlich geht es ja nur darum, den Kindern die „richtige Lebensmittelauswahl und Menge“ beizubringen und ihnen den „Sinn von Bewegung“ nahe zu bringen….
Doch ist das so?
Meines Erachtens ist das Gegenteil der Fall. Da es kaum ein komplexeres Geschehen, als Adipostias gibt und da kein Kind dem anderen gleicht, ist die Behandlung, Beratung und Begleitung von Familien mit adipösen Kindern sehr schwierig und sollte ausschließlich erfahrenen und professionellen Fachkräften überlassen bleiben. Weder helfen Pillchen, noch Pülverchen, noch pauschale Ratschläge, noch Standardempfehlungen, noch Appelle an die Vernunft, ärztliche Drohungen mit Folgeerscheinungen, noch Schulprogramme oder Aufklärungskampagnen für Kindergärten.
Der Druck wird dadurch nur erhöht und die Angst ein weiteres Mal zu versagen.
Also überprüfen Sie gut, wem Sie sich und das Wohl Ihres Kindes anvertrauen.
Günstig heißt nicht gleichzeitig gut und kann Sie u.U. teuer zu stehen kommen, zumal Ihre Krankenkasse die Betreuung und Beratung durch erfahrene Fachkräfte sogar finanziell mit einem Bonus unterstützt. Also lieber gleich zum Experten, so wie Sie es auch mit Ihrem Auto, Ihren Haaren, Ihrer Waschmaschine tun würden….
Im Falle von Patrick war es so, dass er sogar die Mutter gebeten hat, zu der Frau zu dürfen, die in der Schule Ernährungsunterricht machte . Doch genau diese Frau „war zu teuer“ und suggerierte Patrick. „Ich bin meinen Eltern nichts wert“, „sie respektieren meine Wünsche nicht“. Als die Mutter in meiner Beratung das hörte, was sie sichtlich beschämt. Das Thema „Was kostet“, war keines mehr. Es ging nur noch um Patrick und sein Wohl und darum, ob ihm die Beratung nützt, ihm gut tut, ihn unterstützt oder nicht. Und da es ganz wunderbar lief, dauerte die Begleitung gerade einmal 6 Monate und insgesamt 6 Beratungsstunden, von denen die Krankenkasse sogar 4 finanziell fast vollständig finanzierte. Am Schluss sagte die Mutter: Wir hätten ohne Umwege, viel früher kommen sollen…Wir sparten am falschen Ende und haben letztendlich dadurch mehr bezahlt, als wenn wir gleich gekommen wären.
Qualitätskriterien für Anbieter

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Langfristiges Therapiekonzept |
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Kombination aus Ernährungs-, Verhaltens- und Bewegungstherapie |
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Betreuung von Kind und Eltern |
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Therapeutisches Team: Kinder- und Jugendarzt (Koordination),Ökotrophologe/Diätassistent mit Erfahrung, Psychologe
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Beratung zu regionalem Bewegungsangebot
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Evaluation der Behandlungsmaßnahmen und qualitätssichernde Maßnahmen (Lassen Sie sich die Zahlen des Anbieters geben)
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Wo drückt der Schuh?
Da wir nicht warten können, bis sich gewisse „Verhältnisse“ geändert haben (keine Süßgetränke in den Schulen; irreführende Werbung von Lebensmittelherstellern u.v.m.), lohnt es sich, einer professionellen Ernährungstherapeutin Ihr Vertrauen zu schenken und zunächst einmal zu schauen, wo genau das Problem liegt.
Meine Einschätzung nach über 20 Jahre Erfahrung auf diesem Gebiet?
> Das WAS wir essen macht nur ca. 10 % des Problems aus.
> Eine viel größere Schwierigkeit stellt die MENGE dar. Viele betroffenen Kinder haben Schwierigkeiten mit ihrer Körperwahrnehmung. Viele wissen nicht, wie sich Hunger anfühlt und spüren nicht, wann es genug ist. Und diese Mengenproblematik ist verschwistert mit sehr vielen Unterthemen, die sowohl das soziale Leben, den Tagesrhythmus, die Mahlzeitengestaltung uvm. betrifft.
> Die größte Schwierigkeit, die Kinder mit Adipositas haben, ist, dass sie nicht nur bei Tisch essen, sondern auch zwischendurch. Sie haben gelernt Essen für ganz Vieles als „Ersatz“ zu benutzen. Essen ist sozusagen ein „Notfallmedikament“, was für ganz viele „Hunger“ steht. Und genau da setzt gute und professionelle Beratung an. Nicht Wissenszuwachs ist das Ziel, sondern Ihnen und ihrem Kind zu helfen, zu verstehen, wofür dieses Zwischendurch Essen steht. Die Gründe dafür sind allerdins so verschieden, wie es Menschen gibt und keinesfalls mit ein paar Pauschallösungen und gutgemeinten Sprüchen aus der Welt zu schaffen. Zu verstehen, was is(s)t, das ist ein ganz zentrales Ziel einer professionellen Begleitung in ein „leichteres“, „süsseres“ Leben.
Machen Sie den Test: Wo drückt der Schuh bei Ihrem Kind?

Und jetzt noch ein paar Fragen:
> Wer leidet unter dem Gewicht Ihres Kindes mehr? Sie oder Ihr Kind? Sollte die Antwort lauten: SIE…dann warten Sie nicht, bis Ihr Kind Unterstützung will oder bekommt, sondern suchen Sie eine professionelle Ernährungsberatung für sich selbst auf. Kinderübergewicht ist auch Familien/Elternsache. Wir sind gerne für Sie da.
> Wird Ihr Kind wegen seines Gewichts in der Schule gehänselt, zieht es sich mehr und mehr zurück in virtuelle Welten? Dann wird es höchste Zeit, etwas zu unternehmen. Abwarten hilft nicht, sondern schadet dem Selbstwert noch mehr. Beratung tut nicht weh, nimmt nichts weg, sondern hilft, tut gut und unterstützt, den je eigenen Weg zu finden. Ihr Kind leidet nicht nur körperlich, sondern ganz.
> Wie lange benötigt man um ein Instrument zu beherrschen? Und wie schnell sollen sich ca. 300 verschiedene Handlungsweisen ändern, die sich über Jahre eingeschlichen haben? Wäre liebevolle Geduld nicht angemessener für die Mammutaufgabe „Ich nehme ab“? Qualifizierte Beratung macht MUT, zeigt Ihnen und Ihrem Kind wo die Stärken liegen. Hilft zu verstehen, dass Übergewicht kein Feind ist, der bekämpft werden muss, sondern dass hinter dem Übergewicht viele Strategien stecken, die nichts weiter im Sinn haben, als Gutes….Das zu entschlüsseln benötigt Zeit und eine ermutigende Begleitung.
> Wie viel Geld ist Ihnen das Wohl Ihres Kindes wert? Wirklich NULL Euro, weil „die Krankenkasse alles bezahlen soll?“ Hunderte von hochqualifizierten pädagogischen BeraterInnen stehen Ihnen und Ihrer Familie zur Verfügung, doch wie jedes Handwerk, hat gutes Handwerk eben auch einen Preis. Gerne unterstützen und begleiten wir Sie und Ihre Familie.
«Wenn ich gut gegessen habe, ist meine Seele stark und unerschütterlich; daran kann auch der schwerste Schicksalsschlag nichts ändern.» Jean Baptiste Molière (französischer Dichter)
Gerne begleiten wir Sie und Ihre Familie ein Stück auf Ihrem Weg zu mehr Wohl und GleichGEWICHT. Rufen Sie einfach an.
von Sonja Mannhardt | Feb. 20, 2015 | Allgemein, Blog
Clara hat Anorexie, doch keine „typische“, wie es heißt. Man sieht ihr ihre Essstörung nicht mehr so deutlich an. Sie hat einen normalen BMI. Alle glauben, es sei alles in Ordnung. Doch sie weiß, dass sie an der Schwelle zu einer Bulimie steht. Sie hat ihr ganz eigenes System entwickelt, die Kontrolle über sich zu behalten. Dieses „System“, das sie sich mit ihrem klugen Kopf ausgedacht hat, ist ausgeklügelt. Sie schreibt sich eine gewisse Lebensmittelauswahl vor, diszipliniert sich, eine Höchstmenge pro Tag einzuhalten und hat einen ganz speziellen Mahlzeitenrhythmus von dem sie keinen Millimeter und keine Sekunde abweicht. Um alles „richtig“ zu machen, geht fast der ganze Tag drauf. Clara hat für fast nichts anderes mehr Zeit. Ihre Stimmung ist abhängig von der Zahl auf der Waage, doch was Sie am meisten quält ist folgendes: „Ich habe Angst zu versagen. Mein Verlangen nach Essen ist mittlerweile so groß, dass ich befürchte, die Kontrolle vollkommen zu verlieren. Das schlimmste, was passieren kann, ist, dass es nicht mehr schaffe, nicht zu essen.“
Und das ist keine Seltenheit. Viele anorektischen Mädchen kennen diese Schwelle zur Bulimie. Man nennt es auch Bulimarexie. Eiserne Disziplin mit rigider Kontrolle gepaart mit Heißhungerattacken und Kontrollverlust wechseln sich ab. Dasselbe finden wir auch bei den binge-eating-disorders, zu denen Heißhungerattacken ebenfalls dazugehören.
Essstörungen in Zahlen
Bei den Erwachsenen sind 1,5 % der Frauen und 0,5 % der Männer im Alter von 18 bis 79 Jahren in Deutschland von Magersucht, Bulimie oder Binge-Eating-Störung betroffen. Magersucht ist im Alter von 15 Jahren und Bulimie im Alter von 18 Jahren am häufigsten. In der Altersgruppe der 13- bis 18-Jährigen leiden ca. 4 % der Mädchen und 1,6 % der Jungen unter Essstörungen. Insgesamt sind noch einmal so viele Frauen/Mädchen und Männer/Jungen von unspezifischen Essstörungen betroffen. Klar ist: Jeder fünfte Jugendliche ist gefährdet. Meine Erfahrung: EDNOS (Eating Disorders not otherwise specified, also die untypischen Essstörungen nehmen drastisch zu…
Für Kollegen: Hier geht es zur medizinischen S3-Leitlinie
3. Heißhunger als Symptom einer Essstörung
Einmal ist es Clara schon passiert. Der „Fressflasch“ kam, als sie aus der Schule kam. Sie wollte sich nur ein einziges Gummibärchen gönnen, als Belohnung sozusagen, doch dann kam da diese Stimme, die zu ihr sagte: „Du hast versagt!“ und die andere Stimme sagte: „Jetzt ist es egal. Jetzt iss.“ Und sie aß, nein sie frass, alles durcheinander, riesige Mengen, wie im Wahn, bis ihr so schlecht war, dass sie glaubte, sich übergeben zu müssen vor Übelkeit.
Und damit das nicht wieder passiert, verschärft Clare ihre eiserne Disziplin und die Kontrolle….Ein Teufelskreis zwischen den Extremen „absolute Askese und hemmungslose Völlerei“ setzt ein.
Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, muss zunächst einmal verstanden werden, worum es bei diesen Mechanismen überhaupt geht.
Worum geht es bei der Kontrolle? Was soll damit erzielt werden? Wozu werden Essentscheidungen oder Nicht-Essentscheidungen ausschließlich rational getroffen? Was genau hat der Heißhunger in diesem Zusammenhang für eine Bedeutung? Wozu wird verhindert, seine Nahrungsaufnahme auch nach den körpereigenen Signalen zu richten? Warum getraue ich mich nicht zu Essen, wenn ich Hunger habe? Was genau ist satt? Wozu ist die Essstörung gut? Was hat das Ganze mit den eigenen Stärken und Unsicherheiten, den eigenen Gefühlen zu tun? Wonach hat jemand tatsächlich „Hunger“?
Um diese und ähnliche Fragen geht es in einer ernährungstherapeutischen Begleitung bei mir, häufig die erste Anlaufstelle, um zu schauen, womit man es tatsächlich zu tun hat, wenn der Heißhunger an die Türe klopft.
Sie wollen wissen, ob Sie oder ein Angehöriger gefährdet sind? Hier finden Sie nähere Informationen
Nie wieder Heißhunger
Tipps und Tricks und Ratschläge helfen nicht bei wirklichem Heißhunger. Auch die Lektüre von Artikeln und die „Selbstdiagnose“ sind keine Lösung, ebenso wenig, wie wissenschaftliche Konstrkute, die uns zu „Opfern von Stoffwechsel oder Hirnprozessen“ machen. Wer wirklich „nie wieder Heißhunger“ haben möchte, der kommt nicht umhin zu verstehen a.) ob das was da ist, tatsächlich ein Heißhunger ist, b.) um was genau für eine Art von Heißhunger es sich handelt und c.) was sich hinter diesem Heißhunger für Botschaften verbergen, die erste einmal entschlüsselt werden müssen, bevor „andere (R)AUSwege“ gesucht und gefunden werden können.
Kontaktieren Sie uns unverbindlich für ein kostenloses, telefonisches Erstgespräch. 07635-824847 und vertrauen Sie auf über 20 Jahre Erfahrung.
(c) Sonja M. Mannhardt
von Sonja Mannhardt | Feb. 9, 2015 | Allgemein, Blog
Die Journalistin, die mich fragte, ob ich ein Interview mit Ihr führen wolle, über das Thema „Nie wieder Heißhunger“, mich aber dazu nicht befragte, sondern einen fixfertigen Text vorlegte, startete Ihren Artikel mit einem „typischen Beispiel.“
In diesem Beispiel wird eine Frau geschildert, die seit geraumer Zeit diszipliniert ihre Diät einhält und sich konzentriert ihrem Job widmet. Doch eines Tages stopft sie aus heiterem Himmel kopflos alles in sich hinein. Die ganzen Diätbemühungen dahin. Was zurück bleibt sind ein schlechtes Gewissen. Zur Erklärung muss das Hormon Grehlin herhalten.
2. Diät induzierter Heißhunger
Die Journalistin tut gut daran, auf das Phänomen Diät und Heißhunger hinzuweisen, doch die Erklärung im Hirn und im Hormonhaushalt zu suchen ist an weder hinreichend noch zielführend.
Diesen Heißhunger verstehen
Wer eine „Diät“ befolgt, befasst sich nicht, wie in der Antike seiner ganzen Lebensweise (gr.diaitas), sondern glaubt und ich rede bewusst von Glauben, dass es eine „besondere Lebensmittelauswahl“ gibt, die beim Abnehmen helfen soll. Es wird eine „gut-böse“ Liste erstellt, der „diszipliniert“ zu folgen ist, um den „Diäterfolg“ nicht zu gefährden. Schön und gut – hier soll nicht über Diäten gesprochen werden, sondern über Heißhunger.
Die Lebensmittelauswahl wird automatisch eingeschränkt, der Mensch, der einer Diät gehorcht, vollzieht von einem auf den anderen Tag eine sogenannte „rigide Kontrollstrategie“. Er trifft rein rationale „Du darfst, du darfst nicht“ Entscheidungen, die keinen Platz lassen für „flexible Kontrolle“, die dem Menschen Möglichkeiten lässt, mal so, mal anders zu entscheiden.
Was sämtliche Diät-Apostel ebenfalls verschweigen ist, dass sie nicht nur eine ganz bestimmte Lebensmittelauswahl propagieren, sondern indirekt noch weitere „Regeln“ an die Frau, den Mann bringen: So gibt es keine einzige Diät, die nicht auch die Menge einschränkt! Jeder, der einer Diät folgt, wird gezwungen, auch seine Menge zu reduzieren. So zum Beispiel mit der „5 Stunden-Regel“. Wer vorher zwischendurch immer mal wieder naschte und mit Blutzuckerspiegelerklärungen nun überzeugt wurde, 5 Stunden zwischen den Mahlzeiten einzuhalten, der isst nicht nur anders, sondern auch weniger. Und wer das „Weniger“ nur macht, weil man es ihm sagt, ohne über sein gewohntes Essverhalten nachzudenken, der braucht sich nicht zu wundern, wenn irgendwann der Heißhunger an die Türe klopft. Rigide Esskontrolle und das wissen wir nicht erst seit gestern, sondern seit Jahrzehnten führt nicht in ein reduziertes Gewicht, sondern unter Umständen schnurstraks in ein gestörtes Essverhalten – Heißhungerattacken inklusive. Ich nenne das „Diät induziertes gestörtes Essverhalten“ – ein Phänomen, das deutlich im Ansteigen ist! Wir finden es insbesondere bei sehr rigiden Diäten, wie massiv kohlenhydrat reduzierte Kostformen oder dem Gegenteil, die vegane Ernährung. Wir finden es aber auch dort, wo vermeintliche „Unverträglichkeiten“ einen Menschen zu einer selbstgemachten Diät veranlassen, anstatt zum Ernährungsexperten zu gehen und wir finden es dort, wo wir es kaum vermuten, in der Sportlerszene in der „gesunde Ernährung“ zur Orthorexie und „Sport“ zum Zwang ausartet. Mit Disziplin hat das nicht mehr viel zu tun, sondern mit Sucht.
Worum geht es
Menschen, die Diäten machen, tun das, weil sie damit etwas erreichen wollen. Sie wollen weg von etwas, was sie stört, hin zu etwas anderem. „Dünner sein,“ „gesund sein“, „keine Tiere essen“ uvm. Diese Ziele sind verständlich, doch die Mittel, zu diesen Zielen zu gelangen (Lebensmittel weglassen, strikte Diätregeln befolgen, sich kognitiv, rigide zu kontrollieren) sind nicht die richtigen. Mit diesen Diäten wird nicht an der Wurzel der Symptome und am Ess-VERHALTEN gearbeitet. Es wird nicht versucht die alten Verhaltensmuster zu verstehen und dafür neue Möglichkeiten zu suchen (war nur individuell möglich ist), sondern ohne zu wissen, worum es geht, werden Pauschallösungen als Allheilmittel verkauft. Das ist so ähnlich, als wenn jemand zum Frisör ginge und sagt: „Meine Frisur gefällt mir nicht mehr“ und der Frisör jedem der reinkommt einen Bob verpasst.
Wer aber seine Lebensmittelauswahl verändert, ohne zu wissen, wozu er jahrelang es ganau so gemacht hat (der Mensch liebt Gewohnheiten), gleichzeitig seine Menge einschränkt, weil die Diät es ihm so sagt und nicht, weil sein Körper ihm signalisiert, dass es genug ist; wer auch noch andere Regeln befolgt „Iss nicht nach 18 Uhr“, „lass zwischen den MZ 5 Stunden“, „kau jeden Bissen 15mal“, der entfernt sich immer mehr von seinen eigenen Bedürfnissen und Körpergefühlen und gehorcht nur noch – bis das Gewohnte wieder durchbricht, meist mit einem Heißhunger auf…., weil Gehorsam nicht dasselbe ist, wie Disziplin und Askese zwar das Gegenteil von Völlerrei, aber damit noch längst nicht erreicht ist, um was es eigentlich geht, um Maß halten.
Hilfe suchen bei professionellen Beratungskräften
Sollten Sie Heißhunger vermeiden wollen, indem Sie keine Diäten mehr machen, die Sie in die rigide Kontrolle treiben. Sollten Sie statt dessen das Maß halten lernen wollen, so wenden Sie sich an eine professionelle Ernährungsfachkraft, die sich Ihnen und Ihren eigenen Bedürfnissen annimmt und Sie auf Ihren je eigenen, ganz persönlichen Weg begleitet. Auf diesem Weg hat die rigide, rein rationale Kontrolle kein Platz und auch keine Diät induzierten Heißhungerattacken.
Ob Sie bereits ein „gestörtes Essverhalten“ haben? Fordern Sie unseren Test an! Wir senden ihn gerne zu.

Es folgt in Kürze Teil3
(c) S. Mannhardt
[...] Geht es nur noch um Schein, um Hülle, um den großen Laufsteg, um “wer ist die Schönste im ganzen…