Adipositasakademie-VerpflegungHeute ruft mich eine Mutter an, die gerne mit ihrer 9 jährigen Tochter zur Beratung kommen möchte. Sie fühle sich zu dick und fragte gestern ihren Kinderarzt nach einer Beratung. Sie habe das Gefühl, sie esse zu viel Kohlenhydrate, das hätten sie in der Schule im Unterricht gelernt.

Wie bitte? Kohlenhydrate ist ein Thema in der 3. Klasse? Was ist da passiert, dass sich 9-jährige Mädchen wegen ihrer Kohlenhydrataufnahme und ihres Gewichts ängstigen und selbstständig nach Beratung fragen?

Da stimmt es doch nicht mehr in diesem „Bildungsland“!

  1. Aussehen – Thema bei 9-jährigen?
    Handelt es sich um halbwegs gesunde Kinder, dann sind die 8-11 jährigen wohl die einzigen, die sich um ihr Aussehen und ihr Gewicht am wenigsten sorgen, denn rein entwicklungsphysiologisch ist es Kinder in diesem Alter wichtiger „dazu zu gehören“, als „schlank zu sein“, oder mit dem Essen „alles richtig“ zu machen. Also was passiert da in unserer Gesellschaft, wenn jetzt sogar 9-jährige anfangen, „ihr Aussehen“, „ihr Schlank sein“, „ihre Ernährung“ zu hinterfragen? Reicht es denn noch nicht, dass dieses Land immer mehr vergisst dass Menschen Lebensmittel essen und nicht sich mit bloßen Nährstoffen ernähren? Reicht es denn noch nicht, dass Kinder heutzutage zwar wissen, wie man Kohlenhydrate schreibt, aber keine Ahnung mehr haben, wie und wo eine Johannisbeere wächst, geschweige denn, wie sie schmeckt?
  2. Verdauung und Kohlenhydrate – Thema für 9-jährige?

Bild_Würstchen im BauchNicht erst seit gestern wissen wir, dass Kinder von 9 Jahren nur begreifen, was sie begreifen. Wir wissen, dass Kohlenhydrate „nicht begreifbar“ sind und ebenso wenig „Verdauungsvorgänge“.

Frage an Sie: Haben Sie Auto fahren gelernt, indem Sie den Motor ihres Wages verstanden haben, oder durch Handlungskompetenz? Wie würden Sie jemandem erklären, wie Verdauung funktioniert und was genau fangen Sie mit diesem Wissen an, wenn es um Ihre eigene Ernährung geht?

Wir wissen, dass weder „rationalism“, noch „nutrionalism“, sprich kognitive Wissensvermittlung in solch komplexen Geschehen, wie Essen es nunmal ist, wenig ausrichten kann und doch scheint es die „moderne Pädagogik“ besser zu wissen und setzt auf Wissen, statt auf Können.

Nur, was nützt dieses Wissen einem Kind von 9 Jahren, außer, dass die Verunsicherung zunimmt und jetzt auch noch Kindern von 9 Jahren die Lust und Freude am Essen ausgetrieben werden soll?

3. Freude am Essen – Essgenuss – Esskultur statt Nährstoffe und Verdauung

Ich kann mich noch gut erinnern an die Zeit, in der ich selbst noch Unterricht gab. Wir setzten auf Essen und Lebensmittel, nicht auf Ernährung. Wir lernten neue Lebensmittel kennen, wir lernten „verborgenes“ sichtbar zu machen, wir experimentierten, was man mit den Lebensmitteln alles machen kann, wir lernten „Verpackungsdetektive“ zu sein, wir erfuhren mehr darüber, wie Kinder im Schlaraffenland Kompetenzen entwickeln können, selbstbestimmt Essentscheidungen zu treffen und mit ihren Sinnen gut für sich zu sorgen.

Dazu brauchte es weder Prdigten über gesunde Ernährung, noch Informationen über Nährstoffe, noch Wissen um Verdauungsprozesse, sondern den Mut, die Kinder selbst lernen zu lassen, den Mut Praxis vor Theorie zu stellen, den Mut die Kinder und ihr eigenes ESSEN ins Zentrum zu rücken und nicht ein winziges und Lebenswelt fernes  Thema wie Ernährung und Verdauung, zumindest in der sensiblen Zeit der Grundschule, wo gottlob noch nicht alles auf rationales Lernen ausgerichtet sein muss.

Zumindest ich schaue gerne auf meine Erfahrungen mit den Kindern zurück. Und nie werde ich ihre strahlenden Gesichter vergessen, wenn wir gemeinsam etwas zubereitet haben, worauf wir zu Recht stolz sein durften.

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Ich würde mir wünschen, dass Kinder zumindest in der Grundschule noch Kinder sein dürfen und mit ihrer natürlichen Neugier und mit ihrer Freude am selbsttätigen Lernen an das Thema Essen im Schlaraffenland herangeführt werden.

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