Alt werden ist nichts für Weicheier und für diejenigen, die zuschauen, wie die eigenen Eltern alt und gebrechlich werden ist es auch nicht leicht.

Meine eigene Mutter erlitt 2013 eine Hirnblutung. Seitdem hat sie Pflegestufe 5, ist zunehmend dement und wird mehr und mehr von einer gestandenen, selbstbewussten Frau, die unglaublich viel geleistet hat in Ihrem Leben – bis zuletzt – zu einer zarten Frau, die in ihrer Bedürftigkeit mehr an ein Kind erinnert. Sie wird von uns, der Familie und Pflegekräften liebevoll zu Hause gepflegt und ist immer noch vollständiges Familienmitglied. Sie ist dabei und mittendrin, mitten im umtriebigen Leben mit ihrer Art von Lebendigkeit, ihrer Emotionalität mit Ihrer Sicht auf Leben, das sich vom Radius immer mehr einengt, sowohl räumlich, als auch geistig. Doch sie ist noch da, meine Mama und auf ihre Weise bereichert sie unser Leben und wir das ihre.

Sicher, es ist nicht einfach zuzuschauen, wie die Demenz langsam die Identität eines Menschen raubt, dadurch, dass es ohne Vergegenwärtigung von Vergangenem auch keine Zukunft mehr gibt, doch Eines bleibt. Die nackte Emotionalität, die ohne Sprache und ohne Verständigung DA ist.

Ich habe viel gelernt von meiner Mama, auch durch ihre Demenz. Über den Sinn des Lebens, über Liebe, über Emotionen, über Demenz und darüber was es braucht – was demente Menschen am notwendigsten brauchen und was betroffene Angehörige und darüber, was Nietsche damit meinte, als er im Zaratustra sagte: „Werdet wie die Kinder“ – nicht – seid wie Kinder, sondern werdet wie die Kinder – ein in sich rollendes Rad…

Zwischen Mütter die zu Kindern werden und Kindern, die Kinder sind und die langsam erwachsen werden, gibt es einen Unterschied.

Demente Mamas fürchten sich davor, etwas NICHT MEHR ZU KÖNNEN, was sie gerade noch können und sie strengen sich an durch üben zumindest auf dem selben Stand zu bleiben…zumindest eine gewisse Zeit. Kinder freuen sich, dass sie mehr und mehr vom NICHT KÖNNEN, durch Anstrengung und Übung immer mehr über sich hinauswachsen. Furcht und Freude – Bemühen um einen Stand zu halten und bemühen um besser zu werden…ja das sind verschiedene paar Schuhe und fordert von Angehörigen auch einen vollständig anderen Umgang mit ihren betroffenen dementen Angehörigen.

Weil ich so viel von meiner Mama gelernt habe, was weit über Fachbücher hinausgeht und nirgends so beschrieben steht, möchte ich meine Erfarhungen als Tochter gerne weitergeben und auch an unserer Akademie für Beratung und Philsophie haben wir das Thema Demenz aufgenommen….weil uns wichtig ist, dass wir unsere dementen Angehörigen „besser verstehen lernen“, eben weil sie KEINE Kinder SIND.

Deshalb schreibe ich seit geraumer Zeit für den Demenz-Blog der Bundesregierung Fachartikel. Wir möchten Sie einladen, hier ein wenig zu stöbern und zu lesen…

und sollten Sie Fragen haben, Unterstützung benötigen, eines unserer Online-Seminare zum Thema Demenz besuchen wollen, so rufen Sie uns an. Wir sind gerne für Sie da…Wir – das sind Stefanie Brunstering – eine Kollegin aus Horstmar und Sonja Mannhardt, denn wir beide sind neben Oecotrophologen in eigener Praxis auch betroffene Töchter und Schwiegertöchten und wissen was es heißt in der Pflege dementer Angehöriger tätig zu sein.

 

Beiträge von Sonja Mannhardt:
Deine Suppe esse ich nicht
Demenz und „Appetitlosigkeit“
Essen ist mehr als sich gesund ernähren
Flüssigkeitsmangel ein unterschätztes Phänomen
Demenz – Wenn die Unruhe wächst und Essen zum Problem wird
Demenz – Wenn die Koordination und das Erinnerungsvermögen nachlassen, leidet auch die Nahrungsaufnahme
Demenz und Malnutrition – auch übergewichtige Senioren können davon betroffen sein

Und hier, weil es so schön ist…..ein wunderschöner Text zum Thema dement werden…..

lernen wir gemeinsam genauer hinzuschauen, genauer hinzuhören, genauer hineinzufühlen in die Welt dementer Menschen, die uns auch unsere eigene Sicht auf die Welt so unfassbar reicher machen kann…wenn wir uns darauf einlassen….

 

 

  • Wenn ich dement werde, soll mein Leben einfach, übersichtlich und voraussichtlich sein. … und so sein, dass ich das Gleiche mache, jeden Tag zur gleichen Zeit, auch wenn es dauert, bis ich es begreife.
  • Wenn ich dement werde, musst Du ruhig zu mir sprechen, damit ich keine Angst bekomme und nicht das Gefühl kriege, dass Du böse mit mir bist. Du sollst mir immer erzählen, was Du tust. Du sollst mich wählen lassen und respektieren, was ich wähle.
  • Wenn ich dement werde, denke daran, dass es für mich gut wäre, schöne Erlebnisse zu haben, auch dass Du sie mir erzählst, bevor ich sie erlebe.
  • Wenn ich dement werde, brauche ich und kriege ich viel mehr Schlaf als ich eigentlich will. Und wenn ich schlafe, habe ich immer Angst, dass ich nicht wach werde. Gib mir Mut zu schlafen.
  • Wenn ich dement werde, kann ich vielleicht nicht mehr mit Messer und Gabel essen, aber bestimmt sehr gut mit den Fingern. Lass mich das tun.
  • …und wenn ich dement werde, fällt mir auch das Trinken schwer und ich vergesse es immer wieder. Trinke mit mir, damit ich verstehe, was Du von mir willst.
  • Wenn ich dement werde, kann ich mich nicht mehr an Dinge erinnern, an die ich gerne möchte. Dann musst Du lernen, mir das zu zeigen.
  • Wenn ich dement werde und ich bin eigensinnig, boshaft und habe schlechte Laune, dann bin ich das, weil ich mich machtlos und hilflos fühle. Das hasse ich…
  • … und wenn ich dement werde und Panik kriege, dann nur, weil ich an zwei Dinge gleichzeitig denken soll. Halt meine Hand und hilf mir, mich auf eine Sache zu konzentrieren.
  • Wenn ich dement werde, bin ich leicht zu beruhigen, nicht mit Worten, sondern indem Du ganz ruhig neben mir sitzt und meine Hand festhältst.
  • Wenn ich dement werde, verstehe ich nicht das Abstrakte, schwach Formulierte. Ich will sehen, spüren und begreifen, wovon Du sprichst.
  • Wenn ich dement werde, habe ich das Gefühl, dass andere mich schwer verstehen. Genauso schwer ist es für mich, andere zu verstehen. Sprich ganz leise und sieh mir ins Gesicht, dann verstehe ich Dich. Mache nur wenige Worte und einfache Sätze und versuche herauszufinden, ob ich alles verstanden habe. Guck mich an, berühre mich und lache, bevor Du mit mir sprichst. Vergiss nicht, dass ich viel vergesse.

  • Wenn ich dement werde, habe ich häufig keine Lust spazieren zu gehen. Aber ich weiß hinterher, dass es mir besser geht.
  • Wenn ich dement werde, möchte ich gute Musik hören von damals, aber ich habe vergessen, welche. Lass sie uns zusammen hören, ich vermisse das. Ich mag auch gerne singen, aber nicht alleine.
  • Wenn ich dement werde, dann ist da manchmal gar nichts, wenn ich was begreifen soll. Aber vielleicht begreife ich besser als Du denkst. Ich vermisse schöne Dinge: Bilder, Sonnenuntergang und gutes Essen und spüre das tiefer als Du.
  • … und wenn ich dement werde und sage: “Ich will nach Hause!„, dann antworte nur ernsthaft, damit ich merke, dass Du weißt, dass ich mich im Moment sehr unsicher fühle.
  • Wenn ich dement werde und schimpfe, dann gehe einen Schritt zurück von mir. So spüre ich, dass ich immer noch Eindruck machen kann.

Ich bin oft verzweifelt – aber bitte verzweifle nicht an mir!

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