EmotionenZwei Geschichten und eine Erkenntnis

Ein Kind weint in meiner Beratung. Man sieht dem Jungen an, dass das Gefühl Traurigkeit von seinem kleinen Wesen Besitz ergreift, man spürt, wie es ihm geht. Ich schweige, reiche ihm ein Taschentuch und bin einfach nur da. Sofort meldet sich die Mutter zu Wort und sagt: „Ach Tom, das ist doch nicht so schlimm, jetzt wein doch nicht!“ Als er nicht aufhört und weiterweint, ich weiter verstehend schweige und noch ein wenig näher an den Jungen heranrücke, legt die Mutter noch eins nach. „Komm, reiß dich jetzt zusammen, du bist doch schon groß.“

Wie ich darauf reagiere, erwähne ich hier nicht, doch was ich sagen kann: Mich hat das Verhalten der Mutter nicht kalt gelassen, um ehrlich zu sein, menschlich entsetzt.

Denn so handeln nicht einmal Elefanten. Ich sah eine Dokumentation über Waisenelefanten, die mich zutiefst berührte. Alle kleinen Elefanten haben ihre Eltern durch Wilderei verloren in einer Zeit, wo sie noch vollkommen von diesen abhängig waren. Ohne die Hilfe von Menschen hätten diese kleinen Elefanenbabys keine Überlebenschance gehabt. Dass dieser Verlust diese sensiblen Wesen nicht kalt ließ, sah jeder Zuschauer, der auch nur ein wenig Einfühlungsvermögen besitzt. Manchmal stand einer dieser kleinen Elefanten einfach nur traurig da, es kullerten ihm Tränen aus den Augen und sein Köpfchen war gesenkt. Stumm leidend standen sie dann und trauerten, völlig einsam und verlassen und allein; doch nicht lange.
Denn sahen andere Waisen-Elefantenkinder dieses traurige Wesen, so näherten sie sich ihm, ganz behutsam, ganz zärtlich, einfühlsam und wenn sie ihm dann ganz nah waren, dann stellten sie sich schweigend neben das traurige Elefantenkind. Ganz nah und dann….legten sie ihr Rüsselchen schützend über das traurige Elefantenbaby, so als wollten sie sagen: Ich bin da und bei dir – einfach nur da und halte dich, bis es dir wieder besser geht!

Welch eine mitmenschliche Geste – Trost – ohne Worte, einfach nur verstehendes Dasein.

Da habe ich auch geweint und meiner Traurigkeit freien Lauf gelassen.

Traurig, dass viele Menschen nicht einmal mehr merken, wenn jemand traurig ist.

Traurig, dass es viele Menschen gibt, die sich nicht einfühlen können, weder in ihre eigene Gefühlswelt, noch in die Gefühlswelt eines anderen.

Traurig, dass es viele Menschen gibt, die nicht mehr in der Lage sind, auf Traurigkeit einfach mit TROST zu antworten und damit ein inniges Bedürfnis des Menschen zu stillen – in der Not TROTST zu erfahren, durch TROST genährt zu werden – schweigend, stumm und doch haltend…

Traurig, dass auf ein Überlebensnotwendiges Gefühl aus der Steinzeit, mittlerweile nicht mehr mit Mitgefühl und Zuwendung, sondern mit Vernunftappellen reagiert wird.

Ich würde mal sagen: Der Mensch kann offenbar vom Elefanten etwas zutiefst Menschliches lernen und das ist sehr traurig, denn viele haben es offenbar schon soweit  kommen lassen, dass der Versuch unternommen wird, auf Mitgefühl und Gefühle zu verzichten….Kein Fortschritt, sondern der Anfang der Entmenschlichung des Menschen….

Herzliche Umarmung.

 

 

 

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